Innere Medizin, Notfallmedizin, Sportmedizin und so weiter – Es gibt wirklich viele verschiedene Teilgebiete der Medizin. Aber jetzt soll es auch die Waldmedizin geben. Dass einem der Wald gut tun kann, spürt man fast bei jedem Spaziergang.
Waldluft enthält viel weniger Staubteilchen als die Stadtluft. Bereits in den Achtzigerjahren fand man heraus, dass schon der Anblick von Bäumen Wirkung auf den Menschen zeigt. So wurden operierte Patienten, die aus dem Krankenhausfenster ins Grüne blicken konnten, viel schneller gesund als die, die auf eine Betonwand sehen mussten. Der Blick auf Bäume reduzierte zudem den Schmerzmittelbedarf.
Umweltpsychologen konnten zeigen, dass in Häuservierteln mit wenig Grün das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck viel höher ist, als in waldreichen Wohngebieten. Die Kenntnis, dass Bewegung im Wald die Stimmung heben und fröhlich machen kann, haben viele schon an sich verspürt, ist aber auch wissenschaftlich bestätigt.
Im Gegensatz zur Großstadthektik beruhigen die vielfältigen natürlichen Sinneseindrücke des Waldes, wie zum Beispiel Vogelgezwitscher, Tannennadelgeruch und das satte, saftige Grün über eine eindrucksvolle beruhigende Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Pflanzliche Botenstoffe, die sogenannten Terpene, werden aus der Waldluft inhaliert und stärken das Immunsystem. Probanden, deren Schlafzimmerluft mit Waldluft versehen wurde, wiesen tags darauf im Blut eine deutliche Erhöhung des Anteils der Killerzellen unter ihren weißen Blutkörperchen nach als diejenigen, die nur Raumluft schnauften. Mehr Wunsch als Fakt ist allerdings, dass der Wald Krebserkrankungen verhindern könnte. Dennoch entstand gemäß der vielen positiven Erkenntnisse um den Wald, die Bäume und der Grünpflanzen der Begriff der „Waldmedizin“. In Japan soll der Aufenthalt im Wald seit Jahren geförderter Teil der Gesundheitsvorsorge geworden sein und das sogenannte Waldbaden, das „Shinrin Yoku“ traditionell durchgeführt werden. Kürzlich haben japanische Universitäten sogar einen
eigenen Forschungszweig „Waldmedizin“ eingerichtet.
Bäume sind weit mehr als nur Holzlieferanten, sondern liefern auch ätherische Öle, die medizinisch genutzt werden. Man behauptet sogar, dass Bäume untereinander kommunizieren, im Verbund leben und sich gegenseitig vor Schädlingen bewahren. Dies geschehe über elektrische Informationen entlang der Wurzeln oder chemische Botenstoffe. Baumkronen haben atmosphärische Effekte, weil sie durch ihr Blätterdach und durch Verdunstung eine angenehme Kühle, höhere Luftfeuchtigkeit, weniger Wind und eine geringere Lichtintensität bieten können. Dadurch wirken sie positiv bei Atembeschwerden und Kopfschmerzen. Der federnde Waldboden ist orthopädisch wirksam, indem er Gelenk- und Rückenschmerzen lindern kann. Und sogar fürs Hirn ist der Wald gut, weil sich nicht nur für Kinder Lernen in der Natur positiv auf die Konzentration, Wahrnehmungsfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit auswirken kann, sondern auch im Alter gegen die Demenzentwicklung helfen kann.
Deshalb empfehlen moderne Pädagogen Outdoor Schulen und Waldkindergärten. Leider ist aber auch nachgewiesen, dass ein kranker, weil zu trockener Wald all die Gesundheitseffekte nicht bieten kann und deswegen derzeit häufig die Frage gestellt wird, wer die Waldmedizin mehr braucht, der Mensch oder der Wald?
In diesem Sinne – bleiben Sie gesund!
PD Dr. Steinbigler
Chefarzt Innere Medizin,
Klinik Mindelheim
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