Dass ein Mensch an einer No-Mo-Phobie leiden könnte, war bis vor kurzem völlig unbekannt. No-Mo-Phobie ist dabei die Abkürzung für die übersteigerte Angst (=Phobie), dass man kein Mobiltelefon (No Mobile Phone) mehr zur Verfügung hätte, es abhanden käme, nicht mehr funktionieren oder kaputt gehen könnte.
In der Tat sind heutzutage sehr viele Funktionen des täglichen Lebens mit dem Smartphone verbunden - und es werden immer mehr. Telefonieren, fotografieren, Zeitung lesen, bezahlen, e-mails lesen und schreiben sind davon nur die gängigsten Tätigkeiten, die mit den kleinen, in die Handtasche, die Sakkotasche oder in die Hosentasche passenden Computer durchgeführt werden. Auf wenige Millimeter Speicherchips passt das ganze Leben - und man hat es immer bei sich.
Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2016 ergab im Durchschnitt 2617 Berührungen des Bildschirms pro Tag und eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 145 Minuten pro Tag. Englische Untersucher konnten zeigen, dass man sein eigenes Nutzungsverhalten eher unterschätzt, denn Studienteilnehmer dachten, dass sie nur halb so oft zum Handy griffen als sie es wirklich in die Hand nahmen.
Kein Wunder, dass fast eine Million Tappser auf ein Handybildschirm pro Jahr auch krank machen können. Der Orthopäde behandelt mittlerweile eine beträchtliche Anzahl von sogenannten Handy-Daumen, also Sehnenscheidenentzündungen, die durch zu viel Nutzung des Mobiltelefons herrühren. Auch die I-Phone Schulter oder der Handy-Nacken kommen davon. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Sehstörungen und regelrechte Verhaltensauffälligkeiten können Folge übermäßigen Bildschirmkonsums sein, die unbedingt mit Handy-Pausen, Handy-freien Zonen in Schlafzimmer und Wohnung sowie mit reduziertem Gebrauch behandelt werden müssen.
Selten, aber immer häufiger muss sogar der Psychiater eingreifen. Andererseits bieten Smartphones unwahrscheinliche Möglichkeiten für die Gesundheit des Menschen. So wird es kaum noch Zeiten, Bereiche und Situationen geben, in denen nicht sofort jemand bereitsteht, der mit einem Handy den Notruf 112 betätigen kann, um bei Herz-Lungen-Wiederbelebungen rasch den Notarzt zu rufen. Neu sind auch die vielen sogenannten Apps, also Anwendungen, die biometrische Daten, wie zum Beispiel EKG, Atemfrequenz oder Blutzuckerwerte erheben können.
So sind viele, nur sporadisch auftretende Gesundheitsstörungen, wie zum Beispiel unklare kurze Bewusstlosigkeiten, Herzrhythmusstörungen, Atemaussetzer oder Blutzuckerentgleisungen mit durch Smartphones begleiteten Datentechnologien künftig besser erkennbar und könnten damit effektiv behandelt werden.
Für alle Anwendungen werden sich dabei jedoch Patienten und Ärzte gleichermaßen wünschen: Sie müssen funktionieren! Und zwar länger als ein Jahr, ohne Ladekabel, das man verlieren kann, nicht erst mit der Version 1.2.145, ohne Hotline, mit lesbarer Gebrauchsanweisung, denn sonst bedroht einen die Techno-Phobie.
In diesem Sinne - bleiben Sie gesund!
PD Dr. Peter Steinbigler
Chefarzt Innere Medizin,
Kreisklinik Mindelheim