Die Klinikpartnerschaft zwischen der Kinderklinik Kempten und dem Ola During Childrens Hospital in Freetown, Sierra Leone, besteht nun seit über einem Jahr.
Nach erfolgreicher Beantragung über das Förderprogramm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird die Klinikpartnerschaft mit finanziellen Mitteln der Bundesregierung seit August 2023 gefördert. Ziel der Partnerschaft ist ein Wissenstransfer im Bereich der Neu- und Frühgeborenen-Versorgung, einem ausgewiesenen Schwerpunkt der Kinderklinik Kempten, und damit langfristig die Senkung der hohen perinatalen Sterblichkeit in der Partnerklinik in Sierra Leone.
Bislang fanden 2 Besuche von Kemptener Seite statt. Bei den Besuchen durch die Kemptener Neonatologen PD Dr. Hendrik Jünger, Chefarzt der Kinderklinik und Initiator der Klinikpartnerschaft und Oliver Götz, Oberarzt der Kinderklinik, wurden in Freetown insgesamt über 300 Mitarbeiter der Sierra Leonischen Kinderklinik aus den Teilbereichen Neonatologie und Geburtshilfe intensiv geschult. Bei den Schulungen ging es vor allem um praktische Themen wie die Verbesserung der Ausstattung, Abläufe der Erstversorgung Neugeborener, aber auch darum, die tägliche Zusammenarbeit zwischen Geburtshilfe und Kinderklinik zu stärken. „Bislang gab es an der größten Kinderklinik des Landes in Freetown nahezu keine Zusammenarbeit zwischen Geburtshilfe und Neonatologie, so wie es an deutschen Perinatalzentren üblich ist“, so Jünger. So wurde in der Kinderklinik ein Team von Kinderkrankenschwestern geschult, die in Zukunft in der Geburtshilfe im Falle von absehbar komplizierten Geburten zur Erstversorgung der Neugeborenen aktiv alarmiert und dazu gerufen werden. Dadurch soll sich die Qualität der Erstversorgung und das Outcome verbessern und die hohe Sterblichkeit in den kritischen ersten Lebensstunden gesenkt werden.
Schriftliche Standards hierzu wurden gemeinsam mit den Sierra Leonischen Ärzten und Kinderkrankenschwestern erarbeitet und eingeführt. Fortlaufend besteht Kontakt mit den Sierra Leonischen Verantwortlichen, dabei werden telefonisch und über Videokonferenzen aktuelle Probleme besprochen.
Der nächste Besuch von Kemptener Seite ist im Dezember 2024 geplant. Vorgesehen sind auch Besuche von Mitarbeitern der Sierra Leonischen Seite.
Die Eindrücke während der durchgeführten Einsätze waren für die Beteiligten sehr bewegend. „Im öffentlichen Gesundheitssystem in Sierra Leone herrschen katastrophale Verhältnisse, die Kindersterblichkeit im Land zählt immer noch zu den höchsten in Afrika“, sagt Jünger. Es sei schockierend, wie dramatisch schlecht die medizinische Versorgung nur wenige Flugstunden südlich von uns ist – es fehle an nahezu allem, was für eine gute Versorgung kranker Kinder nötig ist. Leider gehören dazu auch die wichtigsten Medikamente, wie zum Beispiel Antibiotika für Neugeborenen-Infektionen, die ohne Behandlung schnell sehr gefährlich werden und zum Versterben führen.
Deswegen wurde parallel zur bestehenden Klinikpartnerschaft durch den Chefarzt der Kemptener Kinderklinik ein Spendenprojekt initiiert, um Sachspenden und damit vor allem Medikamente in die Kinderklinik in Freetown zu bringen.
Hierzu arbeite man inzwischen mit der im gleichen Krankenhaus tätigen deutschen NGO Cap Anamur eng zusammen. Cap Anamur betreibt vor Ort die Organisation und Logistik der Krankenhausapotheke. Nach deren Angaben kann der Bedarf der Kinderklinik durch die der NGO zur Verfügung stehenden Mittel nicht gedeckt werden, insbesondere nicht für die Neonatologie. Auch die staatlichen Medikamentenlieferungen sind in den letzten Monaten ausgeblieben, so dass die Spenden aus dem Allgäu einen essentiellen Beitrag für die medizinische Versorgung der Neugeborenen bedeuten.
„Im Oktober haben wir endlich, erstmals nach Lösung aller logistischer Probleme, mit unseren Spenden eine Medikamentenbestellung in größerem Umfang beauftragt. Zusätzlich auch Materialien, wie vor Ort fehlende Infusionsleitungen, Spritzen, Magensonden und kleine Schläuche für die Gabe von Sauerstoff“, erläutert Jünger. Die gespendeten Medikamente wurden unmittelbar eingesetzt. Die nächste Lieferung ist bereits, in direkter Abstimmung mit den lokal auf der Neonatologie verantwortlichen Ärzten, für Ende November vorgesehen.
„Es ist schön zu sehen, dass die initiierte Klinikpartnerschaft auf diese Weise weitere positive Auswirkungen hat und wir mit geringen finanziellen Mitteln sehr viel bewirken können. Denn die Kosten für eine mitunter lebensrettende Therapie für ein Neugeborenes, betragen nur wenige Euro“.