Falsch – um einen Kommentar zum Wählerverhalten oder zur Regierungsarbeit geht es hier nicht. Die Rot-Grün Schwäche ist vielmehr eine der häufigsten Farbfehlsichtigkeiten in der Bevölkerung. Fast zehn Prozent der Männer und nicht ganz ein Prozent der Frauen sind davon betroffen.
Umgangssprachlich diskriminierend heißt es oft „der ist farbenblind“, wenn jemand bei der Benennung der richtigen Farbe Schwierigkeiten hat. Meistens liegt dem aber eher ein Konzentrationsmangel anstatt einer richtigen Farbenblindheit zugrunde. Bei totaler Farbenblindheit können gar keine Farben, bei der Rot-Grün-Blindheit Rot und Grün nicht wahrgenommen werden, bei der Rot-Grün-Schwäche können Betroffene die beiden Farben nur weniger gut als Normalsichtige erkennen.
Zur Farbwahrnehmung gibt es in der Netzhaut des Innenauges Zellen, die sogenannten Zäpfchen, die bei der Farbsehschwäche gestört, falsch entwickelt oder gar nicht vorhanden sind. Die Rot-Grün-Schwäche ist nicht die einzige Farbfehlsichtigkeit, es gibt auch die Blau-Gelb-Schwäche, die aber wesentlich seltener vorkommt.
Manche Menschen, die von einer Rot-Grün-Schwäche betroffen sind, bemerken diese gar nicht, weil sie seit der Kindheit an ihre Art des Sehens so gewöhnt sind, dass ihnen die Störung gar nicht auffällt. Ist die Rot-Grün-Schwäche ausgeprägter, wird sie meist schon beim Kind erkannt, weil die Malstifte verwechselt werden oder die Farben der Ampel nicht auseinandergehalten werden können.
Die Ursachen können angeboren sein oder erst im Laufe des Lebens erworben werden. Bei der vererblichen Form liegt der Defekt auf dem XChromosom, weshalb Männer, die ja nur ein X-Chromosom haben und den Defekt nicht kompensieren können, häufiger als Frauen betroffen sind. Schicksalhaft erwerben kann man die Farbsehschwäche zum Beispiel durch schwere Kopf- und Augenverletzungen aber auch durch den Alterungsprozess der Netzhaut. Beim grauen Star, der Degeneration der Linse, können Störungen des Farbsehens auftreten, die nach dem operativen Ersatz der Linse beseitigt werden können, aber manchmal ein Umgewöhnen des Operierten an die reale Farbenwelt bedürfen.
Der Arzt erkennt die Farbschwäche anhand von Farbsehtafeln nach Ishihara, die man sich auch im Internet ansehen und selbst prüfen kann, ob man die Farben richtig sieht. Leider ist eine Rot-Grün-Schwäche heutzutage noch nicht heilbar, wobei vielleicht künftig Gentherapien hilfreich sein können. Bei manchen Betroffenen können aber Farbkorrekturbrillen Abhilfe schaffen. Ansonsten muss mit Training, zum Beispiel im Straßenverkehr, gearbeitet werden: Oberes Licht ist rot, unteres Licht ist grün. Deshalb ist der Führerschein bei Rot-Grün- Schwäche auch nicht in Gefahr, das Berufsziel Berufspilot schon eher.
Am besten können Farbkombinationen, wie zum Beispiel weiß-blau oder schwarz-weiß, differenziert werden. Hilfreich sind für sehschwache Menschen, wozu man leider auch alterssichtige Senioren zählen muss, ganz generell zur besseren Lesbarkeit von Texten eine ordentliche Schriftgröße, schnörkellose Schriftarten und ausreichende Zeilenabstände.
Farbgebung und Farbkontraste sind übrigens wichtige Faktoren, um in der Werbung, im Internet, bei Vorträgen oder auf Plakaten eine wichtige Botschaft effektiv an den Adressaten zu bringen. In Anbetracht der nicht so seltenen Farbsehschwächen sei deswegen nicht nur den politischen Parteien geraten, die Farbauswahl und Kombination derselben mit Bedacht zu wählen, damit die Botschaften auch gesehen werden können. Sehen und verstehen sind allerdings zwei Paar Stiefel. In diesem Sinne – bleiben Sie gesund!
PD Dr. Steinbigler
Chefarzt Innere Medizin – Kardiologie, Klinik Mindelheim