Mit den eigenen Immunzellen den Krebs bekämpfen: Über neue und neuste Methoden informierte das Team des neu gegründeten Onkologischen Zentrums bei einem gut besuchten Krebs-Aktions-Tag im Ärztehaus am Klinikum Kempten. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Allgäuer Onkologentags statt, der sich in eine Fach- und Publikumsveranstaltung aufteilte. Seit dem Frühjahr ist das „Cancer Center Kempten/Allgäu“ (CCKA) von der Deutschen Krebsgesellschaft als übergeordnetes Onkologisches Zentrum anerkannt und empfohlen.
Neben der klassischen Chemo- und Strahlentherapie gilt inzwischen die zielgerichtete Immuntherapie als „eine große Säule“ in der Krebsbehandlung, so Professor Langer, Leiter der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin und Sprecher des CCKA. Ganz neu ist die Methode, dem Patienten Immunzellen zu entnehmen und sie im Labor gentechnisch zu verändern, so dass sie bestimmte Merkmale der Tumorzelle erkennen und sie dann zerstören können. Die „geimpften“ Zellen, so genannte CAR-T-Zellen, werden dem Betroffenen wieder zugeführt. Sie vermehren sich und bleiben ein Leben lang aktiv. „Hier sind die allerersten Schritte gemacht“, sagte Langer.
Ein anderes Verfahren ist die Checkpoint-Blockade. Krebszellen können sich dem Immunsystem entziehen, sich also sozusagen verstecken. Da aber Tumorzellen und Immunzellen immer wieder miteinander kommunizieren, könne man sich laut Langer diese Interaktion zunutze machen. Durch die Gabe von bestimmten Antikörpern werden die „Bremsen“ der Immunzelle gelöst, sie kann den Kampf gegen die Tumorzelle wieder aufnehmen.
Die Erfolge dieser Therapie sind vor allem beim schwarzen Hautkrebs enorm. Lag früher die Überlebensrate im Stadium der Fernmetastasierung nach drei Jahren bei zehn Prozent, liegen die Raten heute, auch durch die Kombination verschiedener Präparate, zwischen 50 und 60 Prozent. Allerdings, betonte Langer: „Wir können damit nicht zufrieden sein.“ Die Forschung müsse weitergehen. Ein weiteres Gebiet, in dem die Immuntherapie große Erfolge gezeigt hat ist der Lungenkrebs. Hierauf konnte Prof. Dr. Christian Schumann insbesondere auch auf der Fachtagung am Vortag auf die aktuellsten Studienergebnisse eingehen. Mittlerweile kommen diese Therapie aber auch bei Untergruppen des Brustkrebses zum Einsatz, wie Prof. Dr. Ricardo Felberbaum an beiden Tagen darstellen konnte.
„Ernährung und Krebs“ war ein weiteres Vortragsthema des Aktionstages. Dr. Andrea Wirrwitz-Bingger, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Ernährungsmedizin in Oberstaufen, benannte als häufiges Problem von Krebspatienten die Mangelernährung. Die Ziele einer Ernährungstherapie seien vor allem eine bessere Lebensqualität, aber auch eine bessere Therapieverträglichkeit.
Allgemein sei eine gesunde Ernährung mit Vollkorn, Obst, Gemüse, wenig Zucker und Salz, wenig Fleisch, dafür Sauermilchprodukte wie Quark oder Joghurt zu empfehlen. Wenn der Patient unter Übelkeit oder Schmerzen leide, sei eine hochwertige Eiweißzufuhr mit Molkenprotein, Milchprotein oder Erbsenprotein wichtig. Bei Appetitlosigkeit helfe es, eher kalte als warme und säuerliche Speisen (z.B. Essiggurken) in kleinen Portionen zu servieren. Ein weiterer Rat: „In Gesellschaft essen!“ Nahrungsergänzungsmittel seien nicht notwendig, betonte die Ernährungsexpertin: Sie könnten sogar die Erfolge von Chemo- und Strahlentherapie schmälern.
Die Ernährung kann auch eine wichtige Rolle bei der Prävention von Magenkrebs übernehmen, stellte der Kemptner Internist Dr. Ralph Orner fest. In Deutschland gebe es pro Jahr etwa 15.500 Neuerkrankungen, mehr Männer als Frauen sind betroffen. Zu den Symptomen zählen Oberbauchbeschwerden, Übelkeit, eine plötzliche Abneigung gegen Speisen, aber auch ein unerklärlicher Gewichtsverlust und ein Leistungsabfall. Zu den Risikofaktoren gehörten u.a. eine familiäre Veranlagung, Ernährung, Rauchen oder auch eine Entzündung der Magenschleimhaut durch das Bakterium „Helicobacter pylori“. Hier sei eine Impfung „in Arbeit“.
Vorbeugen könne man durch eine richtige Ernährung mit wenig Fleisch und Salz, viel Vitamin C, Milch- und Vollkornprodukten. Könne als vorbeugende Maßnahme nicht auch eine Magenspiegelung eingesetzt werden? Orners Antwort: „Eine Gastroskopie in der Vorsorge ist nicht sinnvoll.“ Ob Medikamente eine Rolle bei der Entstehung eines Tumors spielen können, wollte ein Zuhörer wissen. Da gebe es ganz wenig Untersuchungen, so der Mediziner.
Weitere Vorträge beschäftigten sich insbesondere mit dem Thema Früherkennung und Prävention, so Dr. Robert Kaiser zur Frage der Raucherentwöhnung, Dr. Nis Nissen zum wichtigen Thema Sport und Krebs und Dr. Christina Schmid zur Prävention und Früherkennung von Uro-Genitalen Tumoren. Der Frage inwieweit die Krebsdiagnose aus dem Blut bereits Realität oder doch noch Fiktion ist widmete sich Frau Prof. Dr. Barbara Dockhorn. Großen Zuspruch fanden aber die Themen Aromatherapie (Tamara Bitzer), Psychoonkologie (Dr. Carlos Martinez), Patientenkompetenz (Edith Hersping) und die Bedeutung der onkologischen Fachpflege.
Begleitet wurde die Vortragsreihe mit verschiedenen Vorführungen vom OP-Robotersystem „da Vinci“ über die Demonstration einer Computertomographie bis hin zu einem begehbaren Darmmodell der Felix Burda Stiftung. Führungen durch die Strahlentherapie und die Pathologie, Gesprächsrunden und Workshops standen ebenfalls auf dem Programm, ergänzt durch Infostände von Selbsthilfegruppen.