Jedes Jahr werden über 240.000 Menschen aufgrund einer koronaren Herzerkrankung mit einem Stent versorgt. Diese aus Edelstahl geformten Gefäßstützen halten das verengte oder verstopfte Blutgefäß offen und sorgen dafür, dass das Herz weiterhin vollumfänglich mit Blut versorgt wird. Die Metallstents sind mit einem Medikament beschichtet, welches das Wachstum der Gefäßzellen an der verengten Stelle hemmt.
Seit vielen Jahren ist es jedoch Ziel der Medizinwissenschaft, einen Stent zu entwickeln, der sich wieder auflöst nachdem er seine Aufgabe im Körper erfüllt hat. Denn die dauerhaft im Blutgefäß verbleibenden Metallstents schränken die Elastizität des Gefäßes ein und machen es an dieser Stelle starr. Dadurch können langfristig akute Gefäßverschlüsse auftreten.
Dieses Ziel scheint nun erreicht. Denn es ist gelungen, in großen internationalen Studien nachzuweisen, dass magnesiumbasierte auflösbare Stents sehr gute, mindestens gleichwertige Ergebnisse erzielen wie herkömmliche Metallstents. Diese sogenannten Scaffolds werden, wie die Metallstents auch, in verengten Herzkranzgefäßen eingesetzt und sind ebenfalls mit Medikamenten beschichtet. Wenn die Medikamente in die Gefäßwand abgegeben sind, lösen sich die Scaffolds auf und geben dieser ihre ursprüngliche Elastizität zurück. Dadurch sinkt die Komplikationsgefahr, da kein dauerhafter Fremdkörper im Herzen verbleibt.
Das Herz- und Gefäßzentrum an den Kliniken Kempten und Immenstadt beteiligt sich seit vielen Jahren an internationalen Studien zu diesem Thema.
Die nun veröffentlichten Ergebnisse dieser Studien in den großen internationalen kardiologischen Fachmagazinen (Lancet eClinicalMedicine, EuroIntervention und Journal of the American College of Cardiology: 10.1016/j.eclinm.2023.101940; 10.1016/j.jacc.2023.05.003, One- and two-year clinical outcomes of treatment with resorbable magnesium scaffolds for coronary artery disease: the prospective, international, multicentre BIOSOLVE-IV registry - PubMed (nih.gov); A new resorbable magnesium scaffold for de novo coronary lesions (DREAMS 3): one-year results of the BIOMAG-1 first-in-human study - PubMed (nih.gov)) geben den Weg frei für eine allgemeine Zulassung der magnesiumbasierten Scaffolds in der Medizin.
„Über die Ergebnisse dieser internationalen Studien mit maßgeblicher Beteiligung unseres Herz- und Gefäßzentrums sowie die entsprechenden Publikationen freuen wir uns sehr und sind stolz, im Allgäu Medizin auf höchstem internationalem Niveau anbieten zu können“, sagt Andreas Ruland, Geschäftsführer des Klinikverbunds Allgäu.
„Das Ziel war es, etwas sehr Gutes noch besser zu machen“, sagt Prof. Dr. Jan Torzewski, einer der Chefärzte im Herz- und Gefäßzentrum im Klinikverbund und klinischer Koordinator der kardiologischen Studientätigkeit im Allgäu. „An den internationalen Studien beteiligt zu sein und hier eine Vorreiterrolle für die Patientinnen und Patienten in unserer Region einnehmen zu dürfen, ist eine große Ehre“.
Eine direkte internationale Vergleichsstudie (randomized controlled multicenter trial, RCT) für den modernsten Magnesium Scaffold (DREAMS 3G) steht bereits in den Startlöchern. Mit dieser Studie soll die Hypothese geklärt werden, dass der Magnesium Scaffold nicht nur gleich gute, sondern sogar noch bessere Ergebnisse erzielen kann als ein Metallstent. Auch an dieser internationalen Studie wird das Herz- und Gefäßzentrum an den Klinikstandorten Kempten und Immenstadt maßgeblich beteiligt sein.
Alle Patientinnen und Patienten mit entsprechender, für den Scaffold geeigneter Verengung können zukünftig im Herz- und Gefäßzentrum mit dem Magnesium Scaffold behandelt werden. Die Zuweisung erfolgt vom Hausarzt oder dem niedergelassenen Kardiologen an das Herz- und Gefäßzentrum über die Sekretariate im Klinikum Kempten oder der Klinik Immenstadt.
„Selbstverständlich kommen auch weiterhin die sehr guten Metallstents bei entsprechender Indikation zum Einsatz“, erklärt Prof. Torzewski. „Jedoch kann man mittlerweile zurecht sagen, dass die Magnesium Scaffolds höchstwahrscheinlich einen Meilenstein in der Kardiologie darstellen“.